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Oberlandesgericht Hamm: Mobilfunkantennen müssen nicht geduldet werden - Gesundheitsrisiko nicht fiktiv, Gesundheitsgefahren nicht ausgeschlossen

Quelle: Neue Juristische Wochenzeitschrift, ARD-Videotext, diverse Agenturen, Az.: 15 W 287/01

Folgendes bedeutsames Urteil wurde bereits vor über 6 Monaten rechtskräftig gefällt (03.01.2002) und wurde erst jetzt bekannt:

Das Oberlandesgericht in Hamm hat die Errichtung einer UMTS-Mobilfunkantenne auf einem Wohnhaus gestoppt. Mögliche Gesundheitsrisiken seien nicht auszuschließen, begründete das Gericht seinen Beschluss (Az.: 15 W 287/01). Das berichtet die «Neue Juristische Wochenschrift» in ihrer aktuellen Ausgabe. Ein Wohnungsbesitzer hatte gegen einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung geklagt, wonach die Antenne auf dem Dach des gemeinsamen Hauses installiert werden sollte.

So lange eine Gesundheitsgefahr nicht ausgeschlossen sei, müssten alle Eigentümer eines Hauses einer solchen Anlage zustimmen, befanden die Richter.

«Das ist ein Schritt in die richtige Richtung», sagte Barbara Eidling vom Dachverband der deutschen Bürgerinitiativen zum Schutz vor Elektrosmog. «Viele Studien weisen auf gesundheitliche Risiken hin.»

Leitsätze des Gerichts:

1. Bei einer gemischrechtlichen Kostenentscheidung kann auch im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (WEG-Sache) mit dem Rechtsmittel gegen die in der Hauptsache getroffene Entscheidung auch die den bereits erledigten Teil betreffende Kostenentscheidung angefochten werden.

2. Die derzeit bestehende Ungewissheit, ob und in welchem Maße von Mobilfunkantennen für den Betrieb eines oder mehrerer Mobilfunknetze, die für den künftigen UMTS-Betrieb ausgelegt sind, gesundheitliche Gefahren für die in unmittelbarer Nähe zu der Anlage wohnenden Menschen führt, reicht allein für die Annahme einer tatsächlichen Benachteiligung aus, die ein Wohnungseigentümer nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG nicht hinnehmen muss.

Auszug:

(...)

Es sei allgemein kundig, dass über die Möglichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch derartige Anlagen ernsthaft diskutiert und ein Ausschluss solcher Beeinträchtigungen bislang nicht geklärt sei. Ein Wohnungseigentümer könne nicht verpflichtet sein, lediglich zur Schaffung einer Einnahmequelle die Ungewissheit möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Aufstellung einer solchen Antennenanlage hinzunehmen.

(...)

Die Feststellung des Landgerichts, dass ein Wohnungseigentümer nicht verpflichtet sei, die Ungewissheit möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch die Aufstellung einer Mobilfunkantennenanlage zu dulden, ist in jeder Hinsicht nachvollziehbar. Auch dem Senat ist bekannt, dass in der Öffentlichkeit gesundheitliche Gefahren, die von Mobilfunkantennen ausgehen, diskutiert werden. Entgegen der Darstellung der weiteren Beschwerde geht es hier nicht um gesundheitliche Gefahren, die denjenigen vergleichbar sind, wie sie vom Betrieb eines einzelnen Mobilfunkgeräts ausgehen und durch das Nutzungsverhalten des einzelnen beeinflusst werden können, sondern um eine Antennenanlage für den Betrieb eines oder mehrerer Mobilfunknetze, die ersichtlich auch für den künftigen UMTS-Betrieb mit hohen Übertragungsraten zugeschnitten ist. Bereits die Ungewissheit darüber, ob die von einer solchen Funkanlage ausgehenden elektromagnetischen Strahlungen zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die in unmittelbarer Nähe zu der Anlage wohnenden Menschen führt, stellt sich als tatsächliche Beeinträchtigung i. S. d. §1 14 Nr. 1 WEG dar. Denn bereits diese Ungewissheit kann bei verständiger Beurteilung zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität in der Wohnanlage führen. Eine solche Beeinträchtigung braucht ein Wohnungseigentümer nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG jedoch nicht hinzunehmen. Aus dieser Sicht war das Landgericht auch im Rahmen der Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) nicht gehalten, in eine Beweisaufnahme darüber einzutreten, ob und inwieweit von Mobilfunkanlagen der geplanten Art gesundheitliche Beeinträchtigungen für die Bewohner des Hauses ausgehen können, auf dessen Dach die Anlage installiert wird. Denn verwertbare Ergebnisse sind in dieser Hinsicht erst nach eingehenden wissenschaftlichen Forschungen zu erwarten. Nach dem Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG ist es den Beteiligten zu 1) nicht zuzumuten, bis zu einem ungewissen Abschluss solcher Forschungen den Betrieb einer solchen Mobilfunkanlage in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnräume zu dulden und auf diese Weise praktisch zum Versuchsobjekt solcher Untersuchungen zu werden.

Kommentar der Elektrosmognews: Dieses bedeutsame Urteil könnte weitreichende Folgen für die Mobilfunkindustrie haben, da in der Urteilsbegründung erstmalig gesundheitliche Aspekte für allgemeine Gruppen berücksichtigt werden. Juristen werden jetzt sicher Gleichheitsgrundsätze prüfen, die sich auf Mieter und Anwohner beziehen.

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