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Oberlaindern: Viele Kranke am Radiosender

Quelle: Natur und Kosmos, Januar 2003

STRAHLENDER HÖRFUNK

Schlaflos im Schatten des Senders

Ein Dorf in Oberbayern kämpft gegen die krank machenden Antennen einer
amerikanischen Radiostation.

Prof. Günter Käs war Leiter der Abteilung Radar und Elektronik der Bundeswehr-Universität München und betreibt nun ein Ingenieurbüro für Radarmesstechnik in Oberpfaffenhofen.

Brigitte Wohlschläger ist nervlich am Jeden Abend, wenige Stunden dem Zubettbringen, muss sie den Schlafanzug ihres neunjährigen Sohnes wechseln. „Der Bub schwitzt ihn völlig durch " Die Mutter selbst klagt über Herzrasen und Hautausschlag. Der benachbarte Metzger Georg Kleeblatt kann erst wieder richtig schlafen, seit er in den Keller seines Hauses gezogen ist.

Kleeblatts Frau starb an Krebs, Mitarbeiter erkrankten daran. Auf der Liste der Leiden stehen zudem Mattigkeit,
taube Hände und Fuße, Kopfweh, Ohrensausen und Muskelzucken. „Es gibt kein Haus ohne Kranke", sagt Burgermeister Josef Huber. Oberlaindern hat 200 Einwohner, Blumen vor den Fenstern und eine Kirche mit Zwiebelturm. Doch das Idyll trügt. Wenige Meter hinter dem Ortsrand spannen sich seit über 50 Jahren die Vorhangantennen eines amerikanischen Radiosenders.

Jede Antenne besteht aus einem fußballfeldgroßen Netz mit einer Sendeleistung von 250 Kilowatt. Das entspricht mehr als 20000 Mobilfunkbasisstationen. Betrieben wird der Sender vom International Broadcasting Bureau (IBB) im Auftrag des US-Außenministeriums. Gesendet werden Programme von Radio Free Europe/Radio Liberty und Radio Free Asia, die per Satellit aus Prag oder Washington D C kommen.

Von Oberbayern geht es über Kurzwelle weiter nach Zentralasien und Russland. Der Elektrosmog in Oberlaindern ist beträchtlich. 16 Prozent über dem Grenzwert liegt die Strahlung, hat der Experte Gunter Käs festgestellt.

Er ist einer von vielen Forschern, die vor den Folgen dieser Dauerbelastung warnen Für das Bayerische Umweltministerium aber liegt die Krebsrate in der Umgebung des Senders im statistischen Mittel. Es
stützt sich dabei auf eine eigens erstellte Studie. Auch ein Sprecher des US-Konsulats in München erklärt „Gesicherte Erkenntnisse über Gesundheitsschaden gibt es nicht". IBB sende weit unterhalb der
genehmigten Sendeleistung. Dennoch haben die Bürger geklagt vor dem Verwaltungsgericht München
gegen den Freistaat Bayern sowie in Washington gegen die USA. „Andere IBB-Stationen in weniger dicht besiedeltem Gebiet konnten die Abstrahlung der Programme problemlos übernehmen", argumentiert Georg
Paul, Sprecher der Burgerinitiative Sender-Freies Oberland.

Vielleicht sind die wachen Nächte auch ohne Urteil bald vorbei, denn eine Petition an den Bundestag scheint Erfolg zu haben. Das Außenministerium hat den Betroffenen im September zugesagt, die bis 2005 laufende Pacht der USA nicht ' zu verlängern.

Norman Dankerl

INTERVIEW

„Dort dürfte niemand wohnen"

Der Strahlenexperte Günter Käs erforscht seit 1980 die Wirkung elektromagnetischer Wellen auf lebende Organismen.

natur&kosmos: Wie gefährlich ist es, in Oberlaindern zu wohnen?

Käs: Also, ich wollte dort keinesfalls leben. Die Strahlung überschreitet den
Grenzwert um 16 Prozent. Eigentlich dürfte dort niemand wohnen.

natur&kosmos: Ist 16 Prozent drüber denn so dramatisch?

Käs: Ja. DieGrenzwerte sind in Deutschland ohnehin viel zu hoch. Sie orientieren sich praktisch nur an thermischen Wirkungen. Das heißt, es sollen keine bedenklichen Wärmeeffekte im Organismus auftreten. Andere Wirkungen wie
Verhaltensänderungen oder Einflüsse auf das vegetative Nervensystem, die etwa Schlafstörungen auslösen, sind nicht berücksichtigt. Um sie zu vermeiden, müssten die Grenzwerte viel niedriger ansetzen.

natur&kosmos: Ist es erwiesen, dass solche Strahlung krank macht?

Käs: Ja, ganz klar. Es ist nur eine Frage der Intensität. Das Problem ist, dass sich eine konkrete Erkrankung kaum eindeutig auf die Strahlen zurückfuhren lässt. Dazu wäre in Oberlaindern eine große Studie nötig, wobei es fraglich ist, ob die Zahl der Bewohner dafür ausreicht. Ich schlage vor, den Sender abzuschalten, dann wäre man das Problem los.

Internet: http://www.sender-freies-oberland.de/

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