Junk Science/FEMU Aachen: Wie Wissenschaft im Dienste der Wirtschaft verfälscht wird
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
- idw - Pressemitteilung
Rheinisch-Westfälische Technische
Hochschule Aachen, 12.05.2003, Thomas von Salzen, Hartenstein-Verteiler
"Forschungsergebnisse" der berüchtigten Silny-Gruppe werden am 15.05.03 auf e-plus-Pressekonferenz vorgestellt
An folgendem Beispiel möchten wir darstellen, wie Wissenschaft im Dienste der Wirtschaft verfälscht wird. Hervorgetan hat sich dabei wieder einmal das sogenannte "Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit FEMU" an der RWTH Aachen, geleitet vom berüchtigten Professor Silny, der seit Jahren für die Mobilfunkindustrie tätig ist und fachlich immer stärker kritisiert wird.
Einen Einblick in die Aktivitäten von Herrn Prof. Silny geben folgende Internetseiten:
http://www.elektrosmognews.de/news/silnyvde.htm
http://www.elektrosmognews.de/news/industriesilny.htm
http://www.elektrosmognews.de/news/20000studien.htm
Damit dürfte ungefähr illustriert sein, welchen fachlichen Wert Arbeiten von Prof. Silny und seiner Lobbygruppe haben.
Doch lassen wir die Pressemitteilung des FEMU für sich selbst sprechen. Unabhängig davon, was der Inhalt der FEMU-Untersuchung ist - dazu werden sich mit Sicherheit in Kürze unabhängige Wissenschaftler äußern - disqualifiziert sich FEMU bereits durch seine eigene Pressemitteilung. Da die Pressemitteilung vom FEMU Aachen selbst herausgegeben wurde, gehen wir davon aus, dass FEMU auch zum Inhalt der Pressemitteilung steht.
Wenn das der Fall ist, machen wir insbesondere auf die letzten drei Sätze der Pressemitteilung aufmerksam und überlassen dann dem Leser die Beurteilung des wissenschaftlichen Wertes der Silny-Studie.
1. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die UMTS-Felder weder im Stande sind, Muskeln, Gehirn oder Nerven zu erregen, noch ohne Wärmewirkung (athermisch) diese Erregungsvorgänge beeinflussen können.
Die Silny-Gruppe verabsolutiert die Ergebnisse eines einzelnen Versuches - wie auch immer dieser überhaupt methodisch ausgeführt wurde - auf eine ganze Reihe von potentiell beeinflußten Funktionen des menschlichen Organismus, unter Ignorierung anderer Forschungsergebnisse, und wagt auch noch die unbewiesene These, dass nur thermische Wirkungen diese Erregungsvorgänge beeinflussen können.
2. Damit kann die Hypothese von
der Existenz athermischer Wirkungen bei
UMTS-Feldern nicht bestätigt
werden.
Mit diesem Satz hat sich die Silny-Gruppe ein für alle Male und endgültig wissenschaftlich selbst disqualifiziert. Jeder Wissenschaftler kann nach der Lektüre dieses Satzes nur den Kopf schütteln.
Erstens bezeichnet die Silny-Gruppe die Existenz athermischer Wirkungen als "Hypothese", obwohl die Existenz athermischer Wirkungen längst gesichertes Wissen ist, wie beim Bundesamt für Strahlenschutz, beim Schweizer BUWAL und vielen anderen Institutionen nachzulesen ist.
Zweitens zieht die Silny-Gruppe aus einem einzelnen Versuch, den sie unter bestimmten Bedingungen, mit bestimmten Parametern und beschränkt auf einen kleinen Teil der potentiellen Schadwirkungen der heutigen Mobilfunktechnologie, selbst durchgeführt hat, Rückschlüsse auf jedwede athermische Wirkungen, was wissenschaftlich völlig unzulässig ist.
Im übrigen ist dies eine bekannte PR-Masche, die im Bereich Industrie und Umwelt schon immer gern angewendet wurde. Man läßt einen bestimmten Versuch durchführen, mit irgendeiner Versuchsanordnung mit geringem wissenschaftlichem Wert, und schlußfolgert dann auf der Grundlage der abzusehenden Ergebnisse unzulässig auf sämtliche gesundheitlichen Auswirkungen.
3. Die Ergebnisse der Untersuchung werden auf einer vom Düsseldorfer Mobilfunkbetreiber E-Plus veranstalteten Pressekonferenz am Donnerstag, 15. Mai 2003, 11 Uhr Malkasten, Jacobistraße 6a, 40211 Düsseldorf öffentlich vorgestellt.
Nun denn, wenigstens hier hat man die Wahrheit gesagt. Die Ergebnisse der "Untersuchung" werden auf einer Pressekonferenz von E-Plus vorgestellt. Na dann.
Die Silny-Gruppe jedenfalls dürfte nach dieser Pressemitteilung endgültig jedwede wissenschaftliche Bedeutung verloren haben. Ihren Ruf als Vertreter von "Junk Science" (wertloser Wissenschaft) hat sie damit in jedem Fall grandios und eindrucksvoll verteidigt.
Skandalös, dass diese dubiose Einrichtung auch noch mit Steuergeldern finanziert wird:
"Das Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu), eine interdiziplinäre Einrichtung des Universitätsklinikums der RWTH Aachen, plant mit der Unterstützung des Bundesumweltministeriums die Einrichtung eines EMF-Portals."
Die Computerwoche hat die Meldung wie folgt kommentiert:
"Drittmittel-Nachtigall, wir hör'n Dir trapsen. Das erinnert uns irgendwie an den alten Otto-Scherz: "Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Rauchen doch nicht gesundheitsschädlich ist. Gezeichnet Dr. Marlboro"... (tc)
Hier noch einmal zum Nachlesen die komplette Pressemitteilung des FEMU:
Von: thomas.salzen@zhv.rwth-aachen.de
(Thomas von Salzen)
Datum: 12.05.2003, 07:23:08
Betreff: [idw] Wirkung von Feldern
des UMTS-Mobilfunks auf Nerven und Muskeln
Informationsdienst Wissenschaft -
idw - - Pressemitteilung
Rheinisch-Westfälische Technische
Hochschule Aachen, 12.05.2003
Wirkung von Feldern des UMTS-Mobilfunks auf Nerven und Muskeln
Forschungsinstitut veröffentlicht
erste Ergebnisse über die
Wirkung von Feldern des UMTS-Mobilfunks
auf Nerven und Muskeln
Zur Einführung der dritten Mobilfunk-Generation
(UMTS) stellt das Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit
(femu) am Universitätsklinikum der RWTH Aachen erste Untersuchungsergebnisse
vor.
Zur Untersuchung möglicher Effekte
von UMTS-Feldern im menschlichen Körper wurden in verschiedenen Versuchsreihen
bestimmte Regionen der Großhirnrinde sowie Nerven und Muskeln gereizt.
Die körperlichen
Reaktionen der Probanden konnten
mit Hilfe des so genannten Elektromyogramms (EMG) gemessen werden. Die
Untersuchungen fanden sowohl unter Einfluss von UMTS-Feldern als auch in
Abwesenheit solcher Felder
statt. Die Ergebnisse der Studie
zeigen, dass die UMTS-Felder weder im Stande sind, Muskeln, Gehirn oder
Nerven zu erregen, noch ohne Wärmewirkung (athermisch) diese Erregungsvorgänge
beeinflussen können.
Damit kann die Hypothese von der
Existenz athermischer Wirkungen bei
UMTS-Feldern nicht bestätigt
werden.
Die Ergebnisse der Untersuchung werden auf einer vom Düsseldorfer Mobilfunkbetreibers E-Plus veranstalteten Pressekonferenz am
Donnerstag, 15. Mai 2003, 11 Uhr
Malkasten, Jacobistraße 6a,
40211 Düsseldorf
öffentlich vorgestellt.
Eine Einladung und weitere Informationen erhalten Sie bei der nachstehenden Adresse:
Forschungszentrum für Elektromagnetische
Umweltverträglichkeit
Universitätsklinikum Aachen
(femu)
Dipl.-Ing. Thorsten Sinning
Pauwelsstrasse 20
52074 Aachen
Fon: +49 (0)241 80-84364
Fax: +49 (0)241 80-82636
eMail: sinning@femu.rwth-aachen.de