IZMF-Werbeaktion in Schulen hat begonnen
Quelle: Neues Deutschland, 06./07.2002
Mobilfunk-Werbung macht Schule
Handy-Firmen versorgen Lehrer
mit Unterrichtsmaterial / Gesundheitsgefährdungen
werden systematisch heruntergespielt
Von Nils Floreck
Meinrad Fels ist begeistert. Als
Schulleiter eines Gymnasiums in Schleiden hat er kaum
finanzielle Mittel, um neue Lehrmaterialien
zu bezahlen. Nun bekommt er sie zu einem
aktuellen Thema umsonst ins Haus
geliefert.
Und mit ihm erhalten 20 000 Lehrer
und 500 000 Schüler deutschlandweit neu erarbeitete
Unterrichtsmaterialien zum Thema
Mobilfunk. Umfassend werden die Jugendlichen über die
Vorzüge dieser modernen Kommunikationsform
informiert.
So auch sollen sie für Anforderungen
im Berufsleben fit gemacht werden. Doch die
ganze Sache hat leider einen ganz
entscheidenden Haken. Bezahlt hat die Erarbeitung
des Lehrmaterials nämlich die
deutsche Mobilfunkindustrie. Sie kann an
Schulen also gezielt Werbung für
ihre Technologie machen.
Schulleiter Fels sieht darin kein
Problem, schließlich seien Lehrer kritische
Leute und das Ganze sei ja »nur
eine Diskussionsgrundlage«.
Immo von Fallois vom Informationszentrum
Mobilfunk ist überzeugt, dass die Materialien
ausgewogen sind. Auch Carla Bormann,
Leiterin der PR-Firma inscript, pocht immer wieder
auf ihre Unabhängigkeit. Doch
auf genaue Nachfrage stellt sich heraus, dass
natürlich die Mobilfunk-Industrie
das gesamte Projekt finanziert hat. Und natürlich,
so Bormann, bestimme der Auftraggeber
auch die inhaltlichen Schwerpunkte.
Abgestimmt wurde das Material
nur mit dem Informationszentrum Mobilfunk.
Der pädagogische Beirat durfte
beraten – entschieden wurde woanders. Wer über
200 000 Euro ausgibt, will schließlich
etwas für sein Geld haben.
So findet sich auf Seite 8 der Unterrichtsmappe
zum Schülerheft für Lehrer gleich zwei Mal
die große Überschrift
»Die Wissenschaft gibt Entwarnung«. Dass die Expertin im
Kleingedruckten sagt, dass gesundheitliche
Gefährdungen bisher nicht bekannt geworden sind,
zeigt eine gewisse Diskrepanz zu
der plakativen Überschrift.
Die Gefahren werden nur kurz erwähnt,
um sie dann gleich wieder herunterzuspielen. »Bislang konnten solche
Effekte nicht eindeutig beobachtet
und nachgewiesen werden«, heißt es dann. Dass bei einigen
Wissenschaftlern von Entwarnung
keine Rede sein kann, fällt dabei unter den Tisch. So hat
die wissenschaftliche Studie »Mobilfunk
und Gesundheit« im Auftrag der T-Mobil durchaus
Gefahren aufgezeigt. Nur im ganz
Kleingedruckten des Lehrmaterials findet sich als
Feigenblatt die Internet-Adresse
der Bürgerwelle, einer Dachorganisation von Bürgerverbänden,
die sich gegen Handy-Strahlung wehren.
Erst ganz ans Ende des Heftes ist
die Anmerkung platziert, dass die Handy-Benutzung
im Ausland teuer ist – der einzige
deutlich sichtbare Hinweis, dass die Mobilfunktechnik
auch finanziell ihren Preis hat.
Die laufenden Kosten aber fallen natürlich nicht im
Ausland, sondern im Inland an. Ein
Hinweis darauf fehlt. Schließlich wüssten die
Jugendlichen selbst, dass Mobilfunk
teuer sei, behauptet Meinrad Fels. Die Realität sieht
anders aus. So hat Armin Lewald
von der Universität Oldenburg knapp 1000 Jugendliche
befragt, was sie tun würden,
wenn ihre Konsumwünsche über ihre finanziellen Möglichkeiten
hinausgingen. Rund 60 Prozent der
Befragten gaben an, sie müssten dann Schulden machen,
einige selbst dann, wenn sie genau
wüssten, dass sie das Geld nicht oder nicht pünktlich
zurückzahlen könnten.
Natürlich wird in dem Lehrmaterial
auch nicht erwähnt, dass (nach Angaben der Berliner
Schulverwaltung) jeder zehnte deutsche
Jugendliche zum Teil hoch verschuldet ist und dies
oft mit teuren Handy-Verträgen
verbunden ist. Viele 18-Jäh-rige schließen mit der
Volljährigkeit einen Handy-Vertrag
mit meist 24 Monaten Laufzeit ab und tappen damit in die
so genannte Handy-Falle, da sie
die Folgekosten nicht überblicken. All das passt nicht in
die heile Welt der Mobilfunkbetreiber.
Also wird es nicht erwähnt. Bemerkenswert auch, wie das Material an
die Schulen gelangt: Die von den Mobilfunkbetreibern beauftragte
Firma hat einfach alle Schulen angeschrieben. Die interessierten Lehrer
erhalten die Hefte nun direkt zugeschickt – unter Umgehung der
Schulbehörden. So hat die Berliner
Senatsverwaltung erst durch neugierige Journalistenfragen
von der Aktion der Mobilfunkbetreiber
erfahren.
Kommentar der Elektrosmognews: Das HESE-Projekt und viele Bürger haben die Kultur- und Bildungsministerien der 16 Bundesländer in dieser Angelegenheit angeschrieben. Erst von 2 Ministerien liegen bisher Antworten vor. So hat das Kultusministerium Baden-Württembergs eindeutig Stellung bezogen und geantwortet, dass derlei Werbeaktionen in Schulen absolut unzulässig sind.
Nächste Demo: München, Frühjahr, Termin und Ort noch offen
Aufruf zum Dauerprotest: http://www.elektrosmognews.de/news/aufrufzumdauerprotest.htm
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