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Klüngelverdacht in Hessen: Lokalpresse hakt nach

Quelle: Gelnhäuser Neue Zeitung, 02.05.2002

Der folgende Text ist der Gelnhäuser Neuen Zeitung vom 02.05.2002 entnommen, ebenso der Kommentar von Michael Hell:

Brisanter Brief um Genehmigung von Mobilfunk-Anlagen in Wiesbaden aufgetaucht

Vodafone D2 installiert illegal, Aufsichtsbehörden schauen zu

Wiesbaden/Main-Kinzig-Kreis (mih). Das hessische Wirtschaftsministerium schlittert in einen Skandal um die Genehmigung  von Mobilfunk-Sendeanlagen. Bei einer Anhörung des zuständigen Ausschusses zur geplanten Baurechtsänderung im Hessischen Landtag tauchte ein hochbrisanter Brief der Firma Vodafone D2 auf. Darin gibt die Mobilfunk-Firma zu, in den vergangenen Jahren Sende- und Empfangsanlagen ohne Baugenehmigung in reinen Wohngebieten errichtet zu haben.
Demnach sind viele Sendeanlagen in reinen Wohngebieten, auf und in der Nähe von Kindergärten, Schulen, Altenheimen und Krankenhäusern ohne gesetzliche Regelung und mit Duldung der Aufsichtsbehörden auch im gesamten Main-Kinzig-Kreis illegal errichtet worden.
Die Firma Vodafone D2 (früher Mannesmann) fordert in ihrem Brief vom 12.März 2002 Wirtschaftsminister Dieter Posch höchstpersönlich auf, diesem bislang illegal genutzten Freiraum ein gesetzliches Fundament zu verschaffen. Im Wortlaut der brisanteste Auszug an Minister Posch:
.....“schließlich dürfen wir darauf hinweisen, das wir in Übereinstimmung mit den Bauaufsichtsbehörden in den zurückliegenden Jahren solche Sende- und Empfangsanlagen zahlreich ohne Baugenehmigung auch in reinen und allgemeinen Wohngebieten errichtet haben. Wir sind deshalb dringend auf eine gesetzliche Regelung angewiesen, die hier für einen ausreichenden Bestandsschutz sorgt. Bei Ihrem morgigen Besuch auf unserem CeBit-Stand werden wir uns erlauben, dieses Thema in der gebotenen Kürze anzusprechen“.
mit freundlichen Grüßen
Vodafone D2 GmbH
Niederlassung Rhein-Main
ppa.R. Markschlager
i.V.F. Brech

Die zugegebene illegale Aufstellung tausender Anlagen in Hessen kann nach Auffassung von Rechts-Experten nur ein Fall für den Staatsanwalt sein. Nach dem Verhalten von Vodafone D2 hätten Hessens Kommunen trotz der ständig zunehmenden Hinweise und Ergebnisse deutscher Medizinphysiker und Forscher im Hinblick auf eine ernste Gesundheitsgefährdung der Bürger keinen Einfluss mehr.
Warum aber machen sich die hessischen Bauaufsichtsbehörden zu stillen Mitwissern? Auf Nachfrage der Gelnhäuser Neuen Zeitung im Ministerium von Dieter Posch reagierte der zuständige Pressesprecher Thomas Uber überrascht. Uber kenne das Schreiben von Vodafone an Posch überhaupt nicht. Er verweist lediglich auf die geplante Gesetzesnovellierung, die den Betreibern eine baugenehmigungsfreie Unbedenklichkeit auch für reine Wohngebiete ermöglichen solle.
Der Bruchköbeler Rechtsanwalt Dietmar Freund vertritt zahlreiche Bürgerinitiativen in Hessen und ist mit dieser Problematik vertraut. Freund nennt das kuriose Vorgehen der Behörden eine grob rechtswidrige Verwaltungspraxis. Hier sei im Vorgriff auf die lediglich geplante Novellierung der HBO gehandelt worden. Freund nennt dies „vorauseilenden Gehorsam“.
Dr. Erich Braun, Präsident des hessischen Landesverbandes mobilfunksendefreier Wohngebiete, ist schockiert. Braun fordert für die Mitwisserschaft des Ministeriums und die illegale Umsetzung von Vodafone D2 Konsequenzen. Braun:“In Hessen gibt es eine Genehmigungspflicht von Sendeanlagen im Zuge der Nutzungsänderung. Hier gelten Gesetze, die mit Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes am 29. Juli 1999 und am 19. Dezember 2001 nochmals bestätigt wurden.“ Braun weiter: „Wir vermuten, dass 90 Prozent der Sendeanlagen illegal ohne Baugenehmigung errichtet wurden.“ Sein Stellvertreter Eberhard Mänche aus Fulda: „Während der kleine Mann für die geringsten Baumaßnahmen, ob Garage, Gartenhütte, Kaninchenstall eine Baugenehmigung benötigt und bei Zuwiderhandlung die geballte Staatsmacht der Bauaufsicht mit Baustopp, Bußgeld oder Abbruchverfügung zu spüren bekommt, haben sich die Mobilfunkbetreiber über das Baurecht hinweggesetzt.“
Nach Auffassung des Landesverbandes ist jetzt klar, dass es Absprachen mit den Bauaufsichtsbehörden gegeben haben muss, um für die Mobilfunkbetreiber das geltende Baurecht auszusetzen. Dr. Braun: „Damit sprechen wir den Baubehörden im Zuge des verfassungsmäßigen Gleichbehandlungsgebotes jegliche Ordnungskompetenz ab.“ Als unverfroren bezeichnet der Landesverband, dass nachträglich alle illegalen Mobilfunk-Schwarzbauten in Hessen legalisiert werden sollen und den Mobilfunkbetreibern Narrenfreiheit gegeben werden soll. Die Bruchköbeler Anwaltskanzlei Heyn, Freund und Rus ist bereits dabei, strafrechtliche Konsequenzen zu prüfen.

Kommentar von Michael Hell, Gelnhäuser Neue Zeitung:

Jetzt ist offiziell, was alle Betroffenen ahnten. Das mit den kommunalen Spitzenverbänden vereinbarte Mitspracherecht von Städten und Gemeinden bei der Aufstellung von Mobilfunk-Anlagen ist eine Farce. Dreist: Vodafone baut in reine Wohngebiete hinein, auf und in die Nähe von Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser und Altenheime. Ohne Baugenehmigung und mit Mitwisserschaft der Aufsichtsbehörden. Dass Vodafone D2 dies in einem Brief an den Wirtschaftsminister zugibt und Minister Dieter Posch diesen Zustand schnellstens rückwirkend legalisieren soll, hat den Beigeschmack der Käuflichkeit. Die Ängste der Bürger vor hohen gesundheitlichen Belastungen bleiben Spielball eines 100 Milliarden-Pakts für die Ersteigerung der UMTS-Lizenzen. Während sich jeder Bürger für lapidare Bauten mit langwierigen Genehmigungsverfahren herumärgern muss, baut Vodafone D2 ohne Gesetz in Wildwest-Manier. Die Firma nimmt in Kauf, das Kinder, Erwachsene und Alte 24 Stunden am Tag, 365 Tage das Jahr, mit einer Sendeleistung illegal bestrahlt werden, die in anderen europäischen Ländern, inclusive Russland, inakzeptabel ist. Stoppt die Landesregierung diese Entwicklung nicht sofort, wäre das nicht nur ein neuer Bau-Skandal, sondern für alle Bürger die Aufforderung, künftig die Bauämter zu ignorieren. Die Aufforderung dazu kommt von ganz oben.

Michael Hell

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