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Freitelsdorf/Sachsen: Immer mehr Gesundheitsprobleme am Sendemast

Quelle: Sächsische Zeitung, 13.12.2002

Funkturm geht den Anwohnern ans Herz

Immer mehr Dorfbewohner klagen über Gesundheitsprobleme/Aufsichtsbehörde sieht keinen Anlass für zusätzliche Elektrosmog-Messungen

Von Manfred Müller

Der Funkturm am Ortsrand von Freitelsdorf ist vielen Anwohnern schon seit DDR-Zeiten ein Dorn im Auge. Damals als Stasi-Horchstation verschrien, wurde er in den letzten Jahren mit leistungsfähigen Mobilfunk-Sendeanlagen hochgerüstet. Heute fragen die Freitelsdorfer: Machen die energiereichen Funkwellen krank?

Steffen Engelmann ist 38, und sein Herz spielt nicht mehr richtig mit. Es passierte vor zwei Jahren beim Tanzen: Plötzlich wurde dem Maurermeister schwarz vor Augen, und er kippte um. Die Störung erwies sich als so schwer, dass dem Freitelsdorfer ein Herzschrittmacher eingesetzt werden musste. Aber damit hörten die Probleme nicht auf: Herzrasen, Schwindelgefühle und Schweißausbrüche sind seitdem an der Tagesordnung. Im Januar 2002 kam es so schlimm, dass er mit Blaulicht ins Großenhainer Krankenhaus gebracht werden musste. Steffen Engelmann zeigt auf den Funkturm, der keine 300 Meter entfernt hinter dem Nachbarhaus aufragt. „Das Metall des Herzschrittmachers ist wie ein Empfänger“, sagt er. „Klar dass der von dort drüben etwas abbekommt.“

Kopfschmerzen, innere Unruhe, Schlaflosigkeit

Steffen Engelmann ist nicht der einzige Freitelsdorfer, der unter typischen Elektrosmogbeschwerden leidet. Viele Bewohner im Ort klagen über Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und innere Unruhe. Ärzten in der Umgebung ist aufgefallen, dass die Zahl der Herzpatienten im Dorf überdurchschnittlich hoch ist, dass bereits jüngere Leute mit Schrittmachern versorgt werden müssen.

„Wir wissen nicht hundertprozentig, ob die Schäden wirklich vom Funkturm herrühren“, sagt Bürgermeisterin Margot Fehrmann. „Aber wir können auch nicht einfach abwarten und nichts tun.“ Auf Drängen der Bürger hat die Gemeinde bei der Aufsichtsbehörde, der Regulierungsstelle für Telekommunikation und Post, eine Messung beantragt. Das war bereits im Mai, und seitdem hat sich die Behörde nicht mehr gerührt.

Die Regulierungsstelle hält eine zusätzliche Messung offenbar für überflüssig. Jede Sendeanlage bekomme bei der Inbetriebnahme eine Standardbescheinigung, in der die entsprechenden Grenzwerte festgelegt seien, sagte Behörden-Sprecher Werner Hugentobler gestern auf Anfrage der SZ. Die Gemeinde könne ja gerne ein entsprechendes Institut beauftragen, aber das sei nicht Sache der Regulierungsstelle.

Der Freitelsdorfer Funkturm ist 67 Meter hoch, die e-plus-Sendeanlagen befinden sich mehr als 40 Meter über der Erde. „Das ist sicherheitstechnisch überhaupt nicht relevant“, sagt Hugentobler. „Bereits acht Meter vom Fußpunkt der Antenne entfernt besteht keine Gefahr mehr.“

Ärzte: Unverantwortliche Grenzwertpolitik

Aber so einfach ist die Sache wohl doch nicht. Seit Jahren laufen deutsche Ärztevereinigungen Sturm gegen die laxen Elektrosmog-Bestimmungen im Lande. So die Interdisziplinäre Gesellschaft für Umweltmedizin (Igumed), die eine auffällige Häufung bestimmter Krankheiten in funkbelasteten Wohngebieten festgestellt hat. Vier bis zehn Prozent der Bewohner in der Nähe von Mobilfunkanlagen klagen dort über gesundheitliche Beeinträchtigungen. Oft verbessert sich der Zustand der Patienten sofort, wenn sie das Elektrosmoggebiet verlassen. „Wir sehen die steigende Zahl chronisch Kranker auch als Folge einer unverantwortlichen Grenzwertpolitik“, kritisiert die Igumed in einem Appell vom Oktober 2002.

Das alles hilft dem Freitelsdorfer Steffen Engelmann aber nicht weiter. Er kann seinen Beruf nicht mehr ausüben und kämpft um eine Erwerbsminderungsrente. Bisher ohne Erfolg. Eine Elektrosmogmessung über einen längeren Zeitraum könnte seine Chancen vielleicht verbessern. Die aber wird wohl nur stattfinden, wenn die Gemeinde nicht länger auf eine Reaktion der Aufsichtsbehörden wartet, sondern die Sache selbst in die Hand nimmt.

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