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Schuldenrekorde und Ernüchterung in der Mobilfunkindustrie

Quelle: Ostsee-Zeitung, 08.06.2002

Mobilfunkbranche steckt die Ziele zurück

Dienste werden auf Kunden zugeschnitten

Die Zeiten, als die Kunden bei den Mobilfunkunternehmen Schlange standen, sind vorbei. Zum neuen Realitätssinn der Branche gehört es, die Angebote auf Zielgruppen zuzuschneiden.

Berlin (ddp) Auf die fetten Jahre der schnellen Börsengänge und emporschießenden Aktienkurse folgte das Wundenlecken. Inzwischen sind die Unternehmen der Informationstechnik und Telekommunikation in der Realität angekommen. Viele gerade junge Firmen sind in den vergangenen 18 Monaten auf der Strecke geblieben. Doch einige sind immer noch da, unter ihnen die Mobilfunkunternehmen.

 Sie bauen nach wie vor an der mobilen Kommunikation der dritten Generation, und dafür haben sie sich hoch verschuldet, denn die UMTS-Lizenzen haben in Deutschland insgesamt rund 50 Milliarden Euro gekostet.

Noch vor zwei Jahren war UMTS eines der wichtigsten Themen, die Abkürzung versprach nicht nur unendliche Möglichkeiten – Multimedia immer und überall – sondern auch ein unendliches Wachstum der Mobilfunkbranche. „1999 ist die UMTS-Versteigerung über das Ziel hinausgeschossen“, sagt inzwischen Rudolf Gröger, Chef des Münchner Mobilfunkunternehmens O2 (ehemals Viag Interkom). Die Branche habe in den vergangenen Jahren Handys verteilt, jetzt müsse sie lernen, Mobilfunkdienste zu verkaufen.

Für einzelne Kundensegmente müsste Service mit einem Zusatznutzen geschaffen werden. Die gelte es dann dem Kunden zu verkaufen, auch wenn der der Meinung ist, dass er die Dienste nicht brauche.

Ähnlich deutliche Worte findet Thorsten Dirks, Vorstandsmitglied beim Düsseldorfer Anbieter E-Plus: „Wir müssen zusehen, dass wir unsere Finanzen in Ordnung bringen.“ Denn schließlich bleibe dem Unternehmen nichts anderes übrig, als weiter in UMTS zu investieren. Bis Ende des kommenden Jahres muss jeder der Lizenznehmer 25 Prozent der deutschen Bevölkerung mit den neuen Diensten erreichen. Andernfalls droht ihnen der Entzug der Lizenz durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post. Die Devise lautet deshalb, weiter Schulden anhäufen und die Augen nach möglichen Einnahmequellen offen halten.

Die lang gesuchte Killerapplikation, ein zweites SMS, eine Anwendung, die wie von selbst die Milliarden wieder in die Kassen spült, ist nach wie vor nicht in Sicht. Stattdessen richten sich die Anbieter darauf ein, ihre Kunden in möglichst genau charakterisierte Segmente aufzuteilen und jeder einzelnen Nutzergruppe ein spezielles Paket aus Kommunikation und Inhalten zu liefern.

Auch E-Plus-Manager Dirks gibt unumwunden zu, dass die Erwartungen, die das Mobilfunkunternehmen einst in ihren mittelfristigen Geschäftsplan schrieb, überzogen waren. Doch einen Weg zurück gibt es nicht. „Wir müssen Preismodelle finden, die von den Kunden akzeptiert werden.“

Gemeinsam ist den Mobilfunkunternehmen die Nüchternheit des Realitätssinns. „Wir müssen unsere Kunden dazu motivieren, mehr als 45 Euro im Monat für den Mobilfunk auszugeben“, sagt der Chef des Marktneulings Quam, Ernst Folgmann. Dazu müssten die Unternehmen „Markenerlebnisse generieren wie es Coca Cola tut“. Bis dahin jedoch, ist der Weg noch weit.

BJÖRN SIEVERS

Kommentar der Elektrosmognews: Die Deutsche Telekom AG markierte gestern mal wieder ein neues Allzeit-Tief. Aus Börsenkreisen verlautete sogar (Quelle: finanztreff.de, aktuelle Ausgabe der "Prior Börse"), der Cash Flow werde in Zukunft nicht einmal ausreichen, um die Schulden zu bedienen. Es mehren sich Spekulationen über eine bevorstehende Insolvenz und anschließende Wiederverstaatlichung des Konzerns.

Angesichts solch dramatischer Finanznot kann man jetzt nicht auch noch auf die Gesundheit der Kunden und Anwohner von Sendemasten Rücksicht nehmen. Telekom-Konzerne sind schließlich keine Wohlfahrtsunternehmen. Brisantes Studienmaterial bleibt für die breite Öffentlichkeit deshalb besser in der Schublade.

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