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Bayern forciert Mobilfunkausbau: Mogelpackung verabschiedet

Das Land Bayern wird den Mobilfunkbetreibern künftig kommunale Grundstücke und Gebäude für den Ausbau ihrer Netze zur Verfügung stellen. Kommunen sollen bei neuen Standorten ein eingeschränktes Mitspracherecht erhalten, jedoch kein Vetorecht. Das heisst, wenn den Betreibern  die Alternativvorschläge der Kommunen nicht passen, legen sie weiterhin "nach funktechnischen Gesichtspunkten" fest, wo sie ihre Antennen plazieren. Im Ergebnis hat sich die Situation der Kommunen und Bürger sogar noch verschlechtert, denn Kommunen müssen jetzt auch noch ihre Grundstücke und Gebäude zur Verfügung stellen, was vorher nicht der Fall war. Ein Mitentscheidungsrecht bei neuen Standorten besteht definitiv nicht, bei den alten Standorten bleibt ohnehin alles beim alten. Dies ist das Ergebnis des sogenannten Mobilfunkpakts 2, der gestern in München zwischen Staatsregierung, Mobilfunkbetreibern und den kommunalen Spitzenverbänden Gemeindetag und Landkreistag unterzeichnet wurde. Der Bayerische Städtetag lehnte den Pakt ab und verweigerte die Unterschrift, da die Kommunen de facto keinerlei Einfluß bekämen und ein Bündnis mit der Industrie zu befürchten sei.

Quellen: Augsburger Allgemeine, 28.11.2002, Süddeutsche Zeitung, 28.11.2002

Bericht der Augsburger Allgemeinen:

Mobilfunk: Die Verbindung steht

Bei neuen Sendemasten sollen Kommunen mehr mitreden - Städtetag fürchtet Pakt mit Industrie

München (lb).

Mit dem Mobilfunkpakt II will Bayern den Aufbau des UMTS-Netzes im Freistaat vorantreiben und Kommunen mehr Mitsprache einräumen. Die Kommunen würden künftig bei der Auswahl der Sendemasten-Standorte einbezogen, sagte Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) gestern bei der Unterzeichnung des Abkommens in München. Dafür stellt die Staatsregierung den Mobilfunkkonzernen ihre eigenen Gebäude für Sendemasten zur Verfügung.

Die Zahl der Mobilfunk-Sendeanlagen in Bayern wird bis 2005 auf mehr als 10000 steigen. Zu den bisherigen 6500 Anlagen sollen 4000 neue hinzu kommen.

Der Bayerische Städtetag boykottiert das Abkommen, weil ein Pakt mit der Mobilfunkindustrie bei der Bevölkerung unpopulär sein könnte. In Gemeinden unter 50000 Einwohnern sollen die Mobilfunkbetreiber die Standorte der wegen elektromagnetischer Felder (Elektrosmog, siehe Wortweiser) umstrittenen Sendemasten künftig mit den Kommunen absprechen. In Gemeinden über 50000 Einwohner würden Runde Tische eingerichtet, die die Netzplanung koordinieren sollen, sagte Schnappauf. Die Mobilfunkfirmen T-Mobile, Vodafone, O2, MobilCom und E-Plus verpflichten sich zu besserer Information der Bevölkerung.

Außerdem wird die von den Masten ausgehende Strahlung landesweit gemessen. „Wir haben ein einzigartiges Mitwirkungsrecht geschaffen, das es in dieser Form kein zweites Mal gibt“, so Schnappauf. Die Gemeinden können jedoch kein endgültiges Veto einlegen, wenn ihnen ein Standort nicht passt.

Heiß umstritten sind vor allem Sendemasten auf Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern. Bei der mehr als 50 Milliarden Euro teuren Versteigerung der UMTS-Lizenzen wurden die Mobilfunkfirmen jedoch dazu verpflichtet, ein bundesweites Netz aufzubauen. Da ein UMTS-Sendemast eine Reichweite von nur etwa einem Kilometer hat, werden vor allem in bebauten Gebieten viele neue Anlagen hinzukommen. Alle Beteiligten müssten die „physikalischen Grenzen“ akzeptieren, sagte Michael Keller von T-Mobile. Die Sendemasten würden in jedem Fall innerhalb der Bebauung stehen. „Ein Aufbau zwei Kilometer außerhalb der Ortschaft ist nicht möglich.“

Im Gegensatz zum Städtetag unterzeichneten Gemeindetag und Landkreistag den Mobilfunkpakt II. Bislang hatten sich die Mobilfunkbetreiber lediglich zu gemeinsamer Nutzung der Sendemasten bereit erklärt, um die Zahl der Standorte zu verringern.
 
Bericht der Süddeutschen Zeitung:

Staatsregierung vermittelt Vereinbarung zwischen Netzbetreibern und Kommunen

Ein Pakt gegen Mobilfunk-Ängste

Bei der Standortsuche von Sendemasten haben Gemeinden künftig ein begrenztes Mitwirkungsrecht
 

Von Christian Schneider

Bei der Errichtung von Mobilfunk-Sendemasten können die Kommunen in Bayern künftig mitentscheiden. Die Möglichkeit dazu eröffnet ein so genannter Mobilfunk-Pakt, der gestern in München zwischen Staatsregierung, Mobilfunkbetreibern und den kommunalen Spitzenverbänden Gemeindetag und Landkreistag unterzeichnet wurde. Mit diesem Pakt will die Staatsregierung den Aufbau des UMTS-Netzes im Freistaat vorantreiben. Protest kommt dagegen vom Bayerischen Städtetag, der die Unterschrift unter das Abkommen verweigert hat.

Nach geltender Rechtslage brauchen die Mobilfunkbetreiber zum Aufbau von Sendemasten gegenwärtig keine Genehmigung. Es reicht ein Mietvertrag mit dem jeweiligen Grundstücksbesitzer. Die zuständige Gemeinde muss lediglich informiert werden. Diese Praxis hat in den vergangenen Jahren zunehmend zu Protesten in der Bevölkerung geführt. Die Bürger fühlten sich übergangen und haben ihrerseits Druck auf ihre Rathausverwaltungen ausgeübt. Aber auch die Kommunalpolitiker beklagten eine unzureichende Information durch die Mobilfunkbetreiber. In keinem Bundesland ist der Widerstand gegen Mobilfunk-Anlagen und die Angst vor möglichen schädlichen Auswirkungen des Elektro-Smogs so groß wie in Bayern.

Mit dem Mobilfunk-Pakt, so hoffen die Unterzeichner, soll nun alles anders werden. Die Betreiber haben sich verpflichtet, mögliche Standorte für Sendemasten frühzeitig dem Rathaus zu melden. Die Kommune hat dann zwei Monate Zeit, diesen Standort zu begutachten beziehungsweise Alternativ-Standorte zu benennen. In Städten mit mehr als 50 000 Einwohnern werden zur Erörterung umstrittener Standorte so genannte Runde Tische eingerichtet. Die Gemeinden haben allerdings auch weiterhin kein Vetorecht, wenn ihnen ein Standort nicht passt. Trotz dieser Einschränkung sieht Umweltminister Werner Schnappauf in dieser Regelung ein „einzigartiges Mitwirkungsrecht“ der Kommunen.

Zu dem Pakt gehört weiter die Verpflichtung der Mobilfunkbetreiber, die Öffentlichkeit umfassend über geplante Sendeanlagen zu informieren. Außerdem wird die von den Sendemasten ausgehende Strahlung landesweit gemessen. Schnappauf betonte bei der Unterzeichnung, „überall in Bayern werden die geltenden Grenzwerte unterschritten“. Kindergärten und Schulen kommen als Standorte für Sendeanlagen künftig nicht mehr in Frage. Dafür stellen Staat und Kommunen öffentliche Gebäude und Grundstücke für Sendemasten zur Verfügung. Schließlich verpflichten sich die Mobilfunkbetreiber, Antennenstandorte – wenn immer möglich – gemeinsam zu nutzen. Nach den Worten Schnappaufs soll mit dieser „Standort-Optimierung eine Strahlen-Minimierung“ erreicht werden.

„Was an Chaos und Vorbehalten da war, mündet jetzt in eine vernünftige Regelung“, sagte der Präsident des Landkreistages, Theo Zellner. Gemeindetags- Chef Uwe Brandl betonte, „bisher wurden wir vor vollendete Tatsachen gestellt, jetzt haben wir ein Recht auf Mitwirkung“. Kritik kam dagegen vom Bayerischen Städtetag, der den Pakt boykottiert. Die Vereinbarung mache „keinen Sinn, weil wir in Wahrheit nichts zu sagen haben“, erklärte Städtetagschef Josef Deimer. „Wir wollen nicht den Eindruck erwecken, als ob wir etwas bewirken könnten“, erklärte der Landshuter Oberbürgermeister.

In Bayern gibt es derzeit rund 6500 Mobilfunkanlagen. Mit dem Aufbau des UMTS-Netzes sollen jetzt weitere 4000 Sendemasten hinzukommen. Bis Ende 2003 sollen 30 Prozent dieser zusätzlichen Masten stehen, bis zum Jahr 2005 etwa 50 Prozent. Ohne den Mobilfunk-Pakt könnten diese Ziele nicht eingehalten werden.

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