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Die Wissenschaft und die Unternehmensinteressen:
Lügen als wirtschaftliche Notwendigkeit

von Olli Tammilehto (Finnland)

Entnommen der englischen Fassung im Blog von Dariusz Leszczynski
http://betweenrockandhardplace.wordpress.com/2014/08/23/guest-blog-from-olli-tammilehto-lying-is-an-economic-necessity/

und ins Deutsche übertragen.



Eine zivilisierte Person denkt gewöhnlich, dass die Naturwissenschaften über der Politik stehen. Vor allem Männer und Frauen mit einer wissenschaftlichen Ausbildung und rationalem Weltbild glauben, dass die Naturwissenschaften im Gegensatz zu den Sozialwissenschaften unabhängig von Werten und sozialen Zielen sind.

Gewöhnliche Menschen, die nicht vom Licht der Zivilisation beschienen sind, glauben dies jedoch nicht. Ihre Volksweisheit sagt ihnen: Und jemand wird auch die Wissenschaftler bezahlen. "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing".

Aber diese Art von archaischer Weisheit ist nicht auf die moderne Wissenschaft anwendbar! Warum würde mancherorts gern Wissenschaft beeinflusst? Ist es nicht im Interesse aller, zu wissen, wie die Dinge wirklich sind, und sollte es nicht ermöglicht werden, dass die Wissenschaftler in Frieden, ohne Druck von außen, arbeiten? Allerdings ist es entscheidend, sich daran zu erinnern, dass die wissenschaftliche Forschung nicht nur in der allgemeinen Beobachtung der Mikro-und Makrowelt und der Suche nach herrschenden Gesetzmäßigkeiten besteht. In der Praxis ist sie häufig mit industriellen Aktivitäten verbunden: auf der einen Seite besteht die Forschung darin, alte Technologien zu verfeinern und auf der anderen Seite neue Technologien und Produkte zu entwickeln, wobei die verschiedenen [ungewollten] Auswirkungen von Technologien, Branchen und Produkten aus dem Blickfeld geräumt werden.


Nachteile von Schadens-Wissen

In die Entwicklung von Technologien und Produkten wird viel Geld investiert. In den meisten Fällen ist es das primäre Ziel, das investierte Geld um ein Mehrfaches zurückzubekommen. Oder aber es ist das Ziel, neue Waffen und andere Anwendungen durch den militärisch-industriellen Komplex weiterzuentwickeln. Alle [Neben-]Effekte einer neuen oder modernisierten Technologie sind nicht vorab bekannt und oft sind sie auch nicht vor Inbetriebnahme einer breit angelegten Nutzung bekannt. Darüber hinaus gibt es in der Regel nur geringe Investitionen zur Erforschung dieser Effekte.

Allerdings werden früher oder später die negativen Effekte von Forschungsergebnissen auftreten. Normalerweise werden diese Ergebnisse die Produktion und den Vertrieb nicht stoppen oder gar senken. Stattdessen wird die Forschung auf dem in Frage stehenden Gebiet politisiert. Die von der Industrie beschäftigten Forscher werden die kritischen Studien herunterspielen und gar nach Fehlern in ihnen suchen. Unternehmen führen selbst Studien durch oder finanzieren solche, in denen keine nachteiligen Auswirkungen festgestellt werden. Darüber hinaus werden PR-Firmen eingesetzt, um die öffentliche Wahrnehmung zu beeinflussen, so dass die Risiken, die von der Forschung gefunden werden, als unwahrscheinlich oder unbedeutend erscheinen. Wenn das nicht genug ist und die Stimme der kritischen Wissenschaftler beginnt zu weit zu führen, werden wirksamere Methoden eingesetzt: auf Wissenschaftler, deren Geldgeber oder Direktoren ihrer Institutionen wird Druck ausgeübt und sie werden bedroht.

Für viele muss dies unglaublich klingen. Aber für diejenigen, die schon lange verschiedene Umwelt-, Arbeitssicherheits- und Menschenrechtsfragen verfolgt haben, ist die Intervention von Unternehmen und andere Machtausübung auf die Forschung vertraut. Die Fremdheit der Angelegenheit ist der Tatsache geschuldet, dass es in der allgemeinen und wissenschaftlichen Ausbildung ein riesiges Loch gibt: Soziologie und Politik der Wissenschaft wird kaum gelehrt.

Die bekanntesten Fälle sind der Tabak und die fossilen Brennstoffe. Denn da sind die Beweise für schwerwiegende negative Auswirkungen nach und nach so stark geworden, dass die Unternehmen nicht in der Lage waren, die Entwicklung der allgemeinen wissenschaftlichen Ansichten zu beeinflussen. Stattdessen haben sie viele Arten von Quasi-Wissenschaft mit Hilfe von PR-Agenturen engagiert und stark die Art und Weise beeinflusst, wie wissenschaftliche Ergebnisse vermittelt werden, um die Allgemeinheit und Politiker zu belügen.


Mobil-Telefone von der Strahlungsforschung gerettet

Ein typischer Fall sind die Mobiltelefone. Schädliche Auswirkungen der von ihnen verwendeten Mikrowellenstrahlung waren schon vor dem ersten Mobiltelefon bekannt: Radaranlagen emittierten Strahlung in ähnlicher Weise. In vielen Studien wurde in kurzen Dauern kontinuierlicher Bestrahlung mit Mikrowellen festgestellt, dass bei vielen Menschen Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Herzschwäche und anderen schwere Symptomen auftraten. Auf lange Sicht wurden mehr Krebsfälle in der exponierten Bevölkerung gefunden. Zum Beispiel: während und nach dem Koreakrieg wurden die Soldaten untersucht, die der Radarstrahlung ausgesetzt waren. Das Auftreten von Tumoren in den Atmungsorganen wurde festgestellt und dass die Sterblichkeit mit der Intensität der Strahlung korreliert. Allerdings wurde den Forschern bei dieser Art von Ergebnissen schnell die Finanzierung entzogen und die Veröffentlichung der Ergebnisse verzögert. Somit waren zu Beginn der Verwendung von Mobiltelefonen in den frühen 1980er Jahren die Gefahren nur sehr Wenigen bekannt.

In den Vereinigten Staaten hat sich die Regelung von elektromagnetischer Strahlung angelehnt an die der "Food and Drug Administration" oder "FDA", die einen großen Einfluss auf die Bildung von internationalen Normen hat. Sie erklärte im Jahr 1993, nach vielen Studien über Mikrowellenstrahlung, dass sich das Risiko von Krebs erhöht. Dennoch beschloss die FDA im folgenden Jahr, dass Mobiltelefone allgemein ohne Sicherheitstests eingeführt werden können. Mays Swicord, der in der FDA als Strahlungsexperte arbeitete, hatte einen Einfluss auf die Entscheidung. Bald nach der Entscheidung wechselte er in die Motorola-Gesellschaft, die der führende Mobilfunk-Hersteller zu der Zeit war.

Auch in der EU wurden Vorschriften zur Minimierung [der Strahlung] geschaffen. In der Regel musste vor jedem Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Die UVP-Pflicht bestand zum Beispiel für den Bau von Stromleitungen, Schweine- oder Hühnerställen. Bei der Errichtung einer Mobilfunkantenne ist keine UVP erforderlich.

Seit den 1990er Jahren sind viele Studien veröffentlicht worden, die zeigen, dass Handys und Mobilfunkmasten Krebs und anderen Krankheiten verursachen. Es gibt auch viele Untersuchungen, nach denen Mikrowellenstrahlung unbedenklich ist. Henry Lai, Wissenschaftler an der Universität von Washington, ging alle 326 Studien aus den Jahren 1990 bis 2006 durch, die sich mit den Auswirkungen von Mikrowellenstrahlung befasst haben. In der einen Hälfte von ihnen wurden negative biologische Effekte gefunden, in der anderen Hälfte nicht. Die von der Handy-Industrie finanzierten Studien fanden nur zu 30% negative Auswirkungen. Stattdessen stellten 70% der unabhängigen Studien schädliche Auswirkungen fest.

Bei der Untersuchung des Einflusses der Finanzierung auf Forschungsergebnisse, kamen die Schweizer Wissenschaftler Martin Röösli und Mattias Egger von der Universität Basel im großen und ganzen zu dem gleichen Ergebnis. Ein ähnlicher Einfluss der Finanzierung wurde auch von Seung-Kwon Myung in einer Studie in "Clinical Oncology" im Jahr 2009 veröffentlicht. Nach Seung-Kwon's Artikel wurde in den von unabhängigen Quellen finanzierten Studien gefunden , dass in Bezug auf das Auftreten von Krebs die verwendeten Methoden besser waren als in den von der Industrie finanzierten Studien.

Professor Dariusz Leszczynski hat eine lange Karriere im Strahlenschutz und der nuklearen Sicherheitsbehörde in Finnland hinter sich. In vielen seiner Studien hat er negative Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung gefunden, aber in den öffentlichen Auftritten agierte er eher vorsichtig. Er hat oft das Vorsorgeprinzip angewandt, das häufig in Umweltfragen verwendet wird, eher zum Nutzen der Industrie als zum Wohle der öffentlichen Gesundheit. Jedenfalls sagte Leszczynski in einem Interview im Tiede-(Science) Magazin im Jahr 2011: "Jeder weiß, wenn Ihre Forschungsergebnisse zeigen, dass die Strahlung Auswirkungen hat, trocknet der Finanzierungsfluss aus." Im folgenden Jahr hat die Strahlenschutz- und nukleare Sicherheits-Behörde entschieden, die Forschung über die biologischen Auswirkungen von Mobiltelefonen einzustellen und Leszczynski entlassen.


Besser oder zweckmäßiger argumentieren

Wissenschaft unterscheidet sich nicht von anderen Kenntnissen, weil ihre Vertreter klüger oder weiser wären, oder sie mehr Bücher und teurere Instrumente hätten als andere. Der entscheidende Unterschied ist, dass wissenschaftliche Erkenntnisse nicht auf Autorität, Tradition, wirtschaftliche Interessen oder auf die Präferenzen der Personen an der Spitze einer sozialen Pyramide basieren. Stattdessen beruht die Wissensbildung auf dem ungezwungenen Zwang des besseren Arguments, das sich in der Debatte der wissenschaftlichen Gemeinschaft manifestiert. Alles was wie Wissenschaft aussieht, ist es nicht wirklich. Stattdessen ist es die gleiche Art von herkömmlichem Wissen von Organisationen wie sie von den Gelehrten der katholischen Kirche vertreten wurden und mit denen sich Galilei und andere Pioniere der Wissenschaft vor 500 Jahren auseinandersetzen mussten: anstelle der besseren Qualität eines Arguments ist es entscheidender Faktor, wie dieses sich mit den Interessen eines Gewaltsystems verträgt.

Wenn die wirtschaftlichen Interessen an der Verbreitung und Pflege des Glaubens an die Unbedenklichkeit eines Produktes enorm sind, wird die Wissenschaft fast zwangsläufig beschädigt. In diesen Fällen muss die wissenschaftliche Gemeinschaft von sozialen Bewegungen unterstützt werden, die den Zustand des von der offiziellen Meinung abweichenden Wissenschaftlers entlasten helfen und helfen, die berühmte Fackel der Wissenschaft aus dem Sumpf von Gewinnstreben und Machtkämpfen hochzuhalten.


Kommentar von Dariusz Leszczynski:

Olli Tammilehto ist ein unabhängiger Forscher und Autor. Seine jüngsten Bücher sind "Kalte Schauer, die die Klimakatastrophe durch schnellen sozialen Wandel verhindern" (bisher nur in Finnisch) und "The Tragedy of Transport" (verfügbar in Englisch).

Früher hat er Umweltphilosophie an der Universität von Helsinki gelehrt.


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Die Originalversion des GÄSTE-BLOG's: Olli Tammilehto Guest Blog (in Finnish)


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