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Risiken der allgegenwärtigen Funk-Belastung sind nicht mehr zu leugnen

Eine öffentliche Tagung in Würzburg sieht den Strahlenschutz vor neuen Aufgaben

Hier nachfolgend der Tagungsbericht:

Die Hinweise auf schädigende Auswirkungen des Mobil- und Kommunikationsfunks haben sich weltweit
vervielfacht und verdichtet. Die Gesundheits- und Umweltgefährdungen bestätigen sich inzwischen
auch in Langzeitbeobachtungen. Ihnen war am 5. April in Würzburg die öffentliche Tagung
„Langzeitrisiken des Mobil- und Kommunikationsfunks“ gewidmet. Als Veranstalter der Tagung konnte
die Kompetenzinitiative zum Schutz von Mensch, Umwelt und Demokratie e.V. renommierte Experten
gewinnen.

Zahlreiche Fachorganisationen unterstützten die Tagung: Arbeitskreis Elektro-Biologie e. V.; BUND
Arbeitskreis Immissionsschutz - Arbeitsgruppe EMF; Deutscher Berufsverband der Umweltmediziner
e.V. (dbu); Deutsche Gesellschaft für Umwelt- und Humantoxikologie e. V. (DGUHT); Diagnose-Funk -
Internationale Umwelt- und Verbraucherorganisation zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung
e. V.; Europäische Akademie für Umweltmedizin e.V., European Academy for Environmental Medicine;
Europäische Akademie für Gesundheitsprävention e. V.; Interdisziplinäre Gesellschaft für Umweltmedizin
e.V. (IGUMED); Deutscher Naturheilbund e. V. (DNB); Kind und Umwelt e. V.; Pandora –
Stiftung für unabhängige Forschung; Pädagogische Hochschule Heidelberg; Stiftung Baubiologie –
Architektur – Umweltmedizin (BAU); Stiftung für Kinder. - Die Bayerische Landesärztekammer (BLÄK)
zertifizierte die Veranstaltung mit Fortbildungspunkten.

Langzeitrisiken als gesundheitspolitische Aufgabe

In seiner Einführung „Die Langzeitrisiken des Mobil- und Kommunikationsfunks als gesundheitspolitische
Aufgabe“ begründete Prof. Dr. phil. Karl Richter (Saarbrücken), warum solche Langzeitwirkungen
für den Strahlenschutz eine neue Herausforderung bedeuten. Die bisherigen Aussagen über
mögliche Risiken basieren auf Kurzzeitforschungen, und in den Grenzwerten wird der Zeitfaktor nicht
berücksichtigt. Die Tagung zeigte die Bedeutung dieses Zeitfaktors an Fragestellungen, für die er konstitutiv
ist: z. B. als Latenzzeit bei der Entstehung von Krebs oder als Lebenserwartung für die Gruppe
der Kinder.
Die Erkenntnisse des schwedischen Forschers Prof. Dr. med. Lennart Hardell (Örebro, Schweden),
die er in seinem Vortrag „Brain tumour risk associated with use of mobile and cordless phones“ vorstellte,
hatten den Anstoß zu der Tagung gegeben. An einem breiten und zwei Jahrzehnte hindurch
kontinuierlich fortgeschriebenen Datenmaterial zur Korrelation von Mobilfunkstrahlung und Gehirntumoren
zeigen Hardells Forschungen sehr deutlich, dass Handystrahlung und Schnurlostelefone
sowohl ein krebsauslösendes als auch ein das Krebswachstum beschleunigendes Potenzial besitzen.
Am Umgang mit dem Projekt war allerdings auch zu erkennen, wie gering staatliches Interesse am verlässlichen Schutz seiner Bürger ist, wenn die Bestätigung wirtschaftlicher Interessen ungewiss ist. Verweigerung der Finanzierung scheint in solchen Fällen der einfachste Weg, den Stand der Erkenntnis im gewünschten Sinne zu beeinflussen. Spendenbereite europäische Bürger nahmen in dieser Situation ihren Schutz selbst in die Hand. Sie machten Hardell die statistische Auswertung seiner Daten möglich und luden ihn nach Würzburg ein, seine Ergebnisse der Öffentlichkeit vorzustellen.

Dr. rer. nat. Ulrich Warnke (Saarbrücken) bestätigte mit seinem Vortrag „Die Techniken des Mobil- und Kommunikationsfunks fördern chronische Entzündungen und Folgeerkrankungen“ die Schädigungspotenziale an der dramatischen Zunahme von Entzündungen, die sich in verschiedene Krankheitsbilder hinein fortsetzen, darunter nicht zuletzt Krebs. Warnke wies nachdrücklich darauf hin, dass hinsichtlich der Kausalität verschiedene Faktoren zu berücksichtigen seien, von denen mehrere zusammenwirken können. Aber er zeigte auf breiter Forschungsgrundlage auch, dass oxidativer Stress im Gefolge der Wirkung elektromagnetischer Strahlung als einer der wichtigsten Wirkmechanismen der Schädigung inzwischen als bewiesen gelten muss. Zugleich mit der Vermehrung freier Radikale erfolge dabei auch eine Unterdrückung körpereigener Reparaturmaßnahmen. Besonders wichtig ist der Nachweis eines solchen Wirkmechanismus auch deshalb, weil die Verantwortlichen argumentieren, dass sich Maßnahmen der Vorsorge erübrigen, solange Mechanismen der Schädigung nicht bekannt seien.

Der Vortrag „Haben Kinder ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Folgen der Mobilfunkexposition?“ von Prof. Dr. med. Michael Kundi (Wien) sah bezüglich der gewählten Fragestellung noch manchen Forschungsbedarf. Doch nach der Vorstellung einer großen Zahl weltweit verfügbarer Erkenntnisse kam er zu dem klaren Ergebnis, dass von einer besonderen Gefährdung der Kinder ausgegangen werden muss. Je früher Kinder mit der Akkumulation der Exposition begännen, desto größer sei später auch die Gefahr, daran zu erkranken. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, hielt Kundi einer industriefreundlichen Nivellierung der Lebensstufen entgegen, die die wertvolle Klientel gar nicht früh genug für die Handynutzung gewinnen kann. Während das ökonomische Interesse am „Markt der Zukunft“ die Gefahr für die junge Generation dramatisch erhöhe, sah Kundi die entsprechenden Leitlinien der Österreichischen Ärztekammer als Chance, dem Risiko entgegenzuwirken. Allen europäischen Regierungen solle empfohlen werden, in Zukunft entsprechende Richtlinien zum Schutz der Kinder zu erlassen und zu verbreiten.

Dr. med. Karl Braun-von Gladiß (Lüneburg) beschrieb in seinem Vortrag „Gesundheitliche Auswirkung des Mobilfunks und Therapiekonzept der Elektrosensibilität“ körperliche, psychische und psychosoziale Effekte mobiler Kommunikation. Er machte das Phänomen der Elektrosensibilität als Wechselwirkung von schädigenden äußeren Einwirkungen und internen Reaktionsmustern verständlich. Die Priorität ökonomischer Interessen, das Dogma angeblich fehlender Wirkmechanismen, aber auch das Versagen der Schulmedizin machte er dafür verantwortlich, dass elektrosensible Menschen in unserer Gesellschaft weder Schutz noch Verständnis finden und der Staat trotz statistisch signifikanter Studienergebnisse auch keinerlei Handlungsbedarf sieht. Der Traumatisierung durch die Wirkung der Strahlung folge so eine zweite infolge von Hilflosigkeit und sozialer Ausgrenzung. Der Vortrag ließ keinen Zweifel daran, dass es für eine zivilisierte Gesellschaft hoch an der Zeit sei, der wach-senden Minderheit elektrosensibler Menschen ein Leben ohne Qual zu ermöglichen, statt sie in die psychiatrische Ecke zu schieben oder ihre Existenz überhaupt einfach zu dementieren. Er stellte aber auch ein Therapiekonzept vor, das es Elektrosensiblen erleichtern soll, sich in einer oft trostlos erscheinenden Situation zu behaupten – mit größerer Chance auch der Eingliederung in das Berufsleben.

Nachträglich waren auch noch zwei Kurzberichte von Dr. med. Horst Eger (Naila) in das Programm aufgenommen worden, die auf je andere Weise biologische Wirkungen elektromagnetischer Felder betrafen. Der erste der beiden Berichte informierte darüber, dass die mit der Naila-Studie diagnostizierten Gesundheitsstörungen von der Social Security Administration in Kalifornien als „Kausaler Nachweis des Schädigungspotenzials technischer hochfrequenter Felder“ anerkannt worden sind. Der zweite bot einen Zwischenbericht über auffällige Schädigungen, die seit der Aufstellung eines Antennenmasts an dem Tierbestand eines bayerischen Schweinezüchters aufgetreten waren: „Reduzierte Fruchtbarkeit und Missbildungen – Dokumentation aus einem landwirtschaftlichen Nutzbetrieb“.

Dementierung von Risiken und Schutzbegrenzung als ‚Strahlenschutz‘?

Alle bislang aufgeführten Vorträge und Informationen betrafen biologische Risiken der Strahlung. Ein Vergleich etwa mit der von der deutschen Strahlenschutzkommission (SSK) vorgelegten „Gesamt-schau“ der Risiken (2011) zeigt allerdings, wie gründlich die Deutungen der Forschungslage divergieren. Nichts spreche z. B. für eine erhöhte Empfindlichkeit von Kindern und Jugendlichen, bilanziert die zitierte Schrift der SSK ihre Interpretation des Forschungsstandes. Die im Rahmen des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms durchgeführten Studien sprächen auch in keiner Weise für ein erhöhtes Krebsrisiko. Elektrosensibilität als wirklich kausal durch Strahlung bedingtes Phänomen gebe es höchstwahrscheinlich überhaupt nicht. Für Tiere und Pflanzen stellt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) 2011 in einer gesonderten Stellungnahme fest, dass es „nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand […] keine wissenschaftlich belastbaren Hinweise auf eine Gefährdung von Tieren und Pflanzen durch elektromagnetische Felder unterhalb der Grenzwerte“ gebe – im Gegensatz zu von uns vorgelegten Forschungsberichten, die ein deutlich anderes Bild zeigen.

Die produktfreundliche Sorglosigkeit wird an vielen Stellen noch durch die Empfehlung unterstrichen, die Risikoforschung überhaupt einzustellen. Doch Tendenzen dieser Art zeigen nicht nur, dass sich der deutsche Strahlenschutz weit von seinem satzungsgemäßen Gründungsauftrag entfernt hat, der z. B. von der Politik- und Öffentlichkeitsberatung durch die SSK eine ausgewogene Wahrnehmung des Forschungsstandes „in der gesamten Bandbreite […] vertretbarer Anschauungen“ verlangt. Bedenkt man, dass die SSK Politik und Öffentlichkeit über den Stand der Erkenntnis und etwaige Risiken berät, versteht man besser, wie sich die Verharmlosung landesweit ausbreiten und zur Grundlage des politischen Handelns gemacht werden kann. Ein zirkuläres System der Selbstbestätigung technik- und wirtschaftspolitischer Interessen hat die deutsche Aufklärung so organisiert, dass der Widerspruch zum Stand der Erkenntnis vom Normalbürger nicht erkannt werden kann. Die beobachtbaren Einseitigkeiten der Information und damit einhergehende Tendenzen bewusster Schutzbegrenzung machen aber auch deutlich, dass der staatliche Umgang mit den Risiken zu einem Risiko eigener Art geworden ist. Mit Steuergeldern wird ein Verständnis von ‚Risiko-Kommunikation‘ unterstützt, das die Dementierung von Risiken als seine zentrale Aufgabe begreift, der Bevölkerung damit sogar die Motivation nimmt, in eigener Regie für möglichen Schutz zu sorgen. Mit Blick auf solche Phänomene des staatlichen Umgangs mit den Risiken umschloss das Tagungsprogramm auch Vorträge, die solche Zusammenhänge gesellschaftskritisch präzisierten und aus juristischer Sicht bewerteten. (Vgl. als nähere Begründung zu den Ausführungen dieses Absatzes unsere Schrift: „Was ist vom Strahlen-schutz-Auftrag geblieben?“, 2013)

Prof. Dr. med. Franz Adlkofer (Berlin) beleuchtete in seinem Vortrag „Der Umgang der Politik mit dem Strahlenschutz der Bevölkerung – Ein geschichtlicher Rückblick“ die Geschichte der weltweiten
Fehlsteuerungen des Gesundheitsschutzes. Der Strahlenschutz wurde von Personen und Gremien geregelt, die sich in Wahrheit von militärischen und ökonomischen Interessen leiten ließen; die Bevölkerung wurde über den Stand der Erkenntnis getäuscht. Mit einem von einer Tagung der Harvard Law School geprägten Terminus spricht Adlkofer von Vorgängen ‚institutioneller Korruption‘, die auch deshalb so schwer anzugreifen sind, weil ihnen der Staat die Wege ebnet. Die Etablierung und eiserne Aufrechterhaltung der Grenzwerte gegen ein halbes Jahrhundert lebenswissenschaftlicher Erkenntnis wertete der Referent als exemplarisches Ergebnis solcher Korruption, die Kampagne gegen die REFLEX-Studie als markantes weiteres Beispiel neben vielen anderen.

Prof. Dr.-Ing. Wilfried Kühling (Halle) begründete in seinem Vortrag „Die Beurteilung von Hoch- und Niederfrequenzimmissionen als Voraussetzung für Vorsorge und wirksamen Gefahrenschutz“ die Notwendigkeit, zwischen einklagbaren „Gefahrenschutzwerten“, die lediglich einen Mindeststandard markieren, und den in der Rechtsetzung vorgesehenen empfindlicher eingestellten „Vorsorgewerten“ zu unterscheiden. Letztere würden mit der Forderung nach einem kausalen Wirkungsbezug umgangen, obwohl gerade bei Unsicherheiten und nicht abschließender Beweisführung Vorsorge greift. Der Referent erinnerte an Position 46 des BUND, die für Hochfrequenzimmissionen die Absenkung auf einen Gefahrenschutzwert von 100 μW/m² (0,2 V/m) und auf Vorsorgewerte von 1 μW/m² (0,02 V/m) vorschlägt, was einem Zig-tausendstel bis Millionstel der geltenden Grenzwerte entspricht. In der gleichzeitigen Betrachtung verschiedener Schadwirkungen bei der Prüfung der Grenzwerte, was dem heutigen wissenschaftlichen Stand entspricht, aber auch in der Untersuchung der wachsenden Feldbelastungen unserer Haushalte sieht Kühling zwei der zentralen Voraussetzungen, zu einer realistischeren Einstellung der deutschen Grenzwerte zu gelangen.

Technikpolitik jenseits von Recht und Haftung?

Dem Verwaltungsrichter i. R. Bernd Irmfrid Budzinski (Freiburg i. Br.) blieb es vorbehalten, in seinem Vortrag „Mobilfunk heute – fern von Recht und Haftung?“ die betriebene Mobilfunkpolitik aus juristischer Perspektive zu sichten und zu bewerten. Die Ausführungen betrachteten es als Indiz einer rechtsfernen und menschenrechtswidrigen Politik, wenn eine wachsende Zahl von Menschen gezwungen wird, „mit Schlafstörungen neben Mobilfunkmasten leben, sich aufwändig abschirmen, im Keller hausen oder entschädigungslos das Haus verlassen“ zu müssen – nach Schätzung des Bundesamtes für Strahlenschutz schon bis 2007 nicht weniger als 25.000 Menschen. Sie fragten aber auch nach der defizitären Kontrollleistung und Vernunft eines staatlichen Systems, das neuerdings z. B. gestattet, dass „bis zu 15 fremde W-LAN-Netze […] nicht selten ohne jeden Sinn und Nutzen in einer Eigentumswohnung eines Mehrfamilienhauses angetroffen“ werden dürfen, „deren Leistung höher
als die der 14 eingestrahlten Mobilfunknetze“ ist.

Budzinski fasste seine Folgerungen in drei zentralen Punkten zusammen:
1. „Nicht-ionisierende Strahlung, wie sie der Mobilfunk verwendet, ist als umweltschädlich i.S. des § 3 I des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu bewerten.“
2. „Mobilfunkwellen sind rechtlich generell genauso wie etwa Autoabgase oder Zigarettenrauch, aber auch schwache radioaktive Strahlung, zu behandeln.“
3. „Das bedeutet: Aufklärung der Bevölkerung, Handyverbot für Kinder, Genereller Kabelvorrang, Ende der sog. Indoor-Versorgung, funkfreie Gebiete und allgemeine Sendeleistungsminimierung aller Funktechniken auf das technisch notwendige Maß sowie Erlass eines Mobilfunkgesetzes mit Kinder-, Nachbar- und Versicherungsschutz.“
Immerhin hatte das Bundesumweltministerium 2006 gefordert, neben der Kernenergie auch die Nutzung der nicht-ionisierenden Strahlung in der Verfassung zu regeln – was allerdings unterblieb. In Bezug auf die Gegenwart bezweifelte der Jurist freilich nicht nur jedes Interesse, sondern auch die Fähigkeit des politischen Systems, die weitgehend unkontrolliert verlaufende Entwicklung der Mobilfunkpolitik an den Rahmen einer Rechtsordnung zu binden, die nicht zuletzt die ungeklärte Frage von Verantwortung und Haftung zu beantworten hätte. Budzinski stellte ein verbreitetes Versagen auch der Medien fest, die sich gläubig oder interessegeleitet auf die Seite der Mächtigen aus Staat und Industrie stellen, statt sie zu kontrollieren, wie es die Idee der Demokratie von ihnen verlangt. Er fragte: „Brauchen wir vielleicht sogar ein neues gewaltenteilendes System? Haben die Medien hilfsweise noch irgendeine zuverlässige Kontrollfunktion? Wäre zumindest eine Art wissenschaftlicher Kontrollrat mit richterlicher Unabhängigkeit ähnlich einem Rechnungshof als 4. Gewalt hilfreich - etwa zur Risikobestimmung, Risikofestlegung und Risikokontrolle?“ (Zu allem auch den Aufsatz von B. I. Budzinski und Prof. H.-P. Hutter: Mobilfunkschäden Ansichtssache? Höchste Zeit für Beweise statt Vermutungen, in: NVwZ 2014, S. 418-420, und B. I. Budzinski: Von der Versorgung ohne Auftrag zur Bestrahlung ohne Gesetz, in: NVwZ 2011, S. 1165 – 1171).

Für einen demokratisch, ethisch und volkswirtschaftlich gesunden technologischen Fortschritt

Das juristische Fazit wurde etwas ausführlicher wiedergegeben, weil alle gehaltenen Vorträge darin konvergieren. Sie ergänzen sich aber auch in der Forderung einer politischen Kultur, die nicht auf die Kumulation von politischer und industrieller Macht vertraut, sondern demokratische und ethische Grundwerte als unverzichtbare Wegweiser in eine humane gesellschaftliche Zukunft begreift:

1. „Wir brauchen nicht Forschungsstopps, sondern weit mehr an wirklich unabhängiger Forschung. Und wir brauchen ergänzend dazu auch einen technischen Fortschritt, der auf der Suche nach verträglicheren Lösungen schnurgebundener wie schnurloser Kommunikation den deutschen Rückstand gegenüber anderen Industrienationen aufholt.“

2. „Wir brauchen für das alles aber auch einen Staat, der wiederentdeckt, dass Vorsorge, Minderheitenschutz und Zukunftsverantwortung Bestandteile eines Grundgesetzes sind, die uns nach der Erfahrung von zwei Diktaturen auf deutschem Boden besonders kostbar sein sollten.“

3. „Und wir brauchen schließlich nach der unentwegt beschworenen Rettung des Euro längst eine weitere und ganz andere Rettung Europas. Demokratie, Menschenrechte und die Unterordnung der Politik unter die Gesetze der Moral sind vom Bürgertum Europas im Verlauf von über zwei Jahrhunderten europäischer Geschichte erstritten und zur Grundlage der politischen Moderne gemacht worden. Wir sehen dieses Europa des Geistes und der Werte von einer neuartigen Diktatur kommerzieller Interessen bedroht. Bildlich gesprochen: Das Europa des Geistes und der Werte ist in die Hände des Euro gefallen. Lassen Sie uns zusammenwirken, es daraus zu befrei-en: Die zweite Rettung Europas könnte wichtiger sein als die erste – auch übrigens für eine gesunde Volkswirtschaft!“

4. „Technik und Politik bedürfen einer ethischen Fundierung. Kern jeder Ethik der Technik ist nach Carl Friedrich von Weizsäcker die Nächstenliebe. Nächstenliebe und Ehrfurcht vor der Schöpfung sind unverzichtbare Bedingungen auch jeder Ethik der Politik.“

(1-3 der Einführung entnommen, 4 dem Gründungsprogramm der Kompetenzinitiative e. V.)

Der 2004 erschienenen deutschen Ausgabe der von der Europäischen Umweltagentur herausgegebenen Schrift „Späte Lehren aus frühen Warnungen: Das Vorsorgeprinzip 1896-2000“ stellen Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium geradezu beschwörend voran, was aus „versäumter Vorsorgepolitik“ resultiert: „Die daraus resultierenden volkswirtschaftlichen Schäden sind horrend. Sie übersteigen die Gewinne bei weitem […]. Im eigentlichen Sinn des Wortes unermesslich sind je-doch die vermeidbaren Schäden am menschlichen Leben und seiner Gesundheit.“ Ein zweiter Band der Dokumentation präzisiert die geforderte Vorsorge inzwischen auch mit Bezug auf den Mobilfunk. Schon am 27. Mai 2011 hatte eine Resolution des Europarates eindringlich vor den Folgen der wach-senden Funk-Belastungen für Gesundheit und Umwelt gewarnt. Soll politische Verantwortung in einem geeinten Europa auch die Forderung umschließen, grenzüberschreitende Erkenntnisse der Vergangenheit und Gegenwart in aktuelles Handeln umzusetzen, ist eine Neuorientierung der deutschen Politik des Mobil- und Kommunikationsfunks überfällig.

Mit 230 Teilnehmern war die Würzburger Tagung restlos ausgebucht. Von vielen Teilnehmern wird sie inzwischen als Meilenstein einer öffentlich geführten wissenschaftlichen, medizinischen und juristischen Diskussion eingeschätzt, die zur Aufklärung über die nicht mehr zu leugnenden Risiken des Mobil- und Kommunikationsfunks beigetragen hat. Die positive Resonanz auf die Veranstaltung ist schon jetzt so groß, dass die Veranstalter in Erwägung ziehen, in den nächsten Jahren weitere öffentliche Tagungen zum Themengebiet anzubieten.
Prof. Karl Richter und Dr. Peter Ludwig

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